Nachtrag: 08.12.2014
Sitzung: 16.12.2014 Rat/0006/2014
Zusatz: (zugesetzt)
Beschluss: ungeändert beschlossen
Vorlage: AN/1784/2014
Beschlüsse:
I. Beschluss gemäß
mündlichem Änderungsantrag von Ratsmitglied Zimmermann (Deine Freunde):
Punkt 10 des Antrages wird wie folgt geändert:
Flüchtlinge werden nicht in Zelten untergebracht.
Abstimmungsergebnis:
Mehrheitlich – gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke., der Gruppe Piraten und gegen die Stimme von Ratsmitglied Zimmermann (Deine Freunde) - abgelehnt.
II. Beschluss gemäß Antrag der
SPD-Fraktion, der CDU-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der
FDP-Fraktion:
Krisen und Kriege haben weltweit zu
den höchsten Flüchtlingszahlen seit dem 2. Weltkrieg geführt. Immer mehr Menschen
suchen derzeit auch Schutz in Köln. Voraussichtlich wird Köln bis 2018 über
9.000 Flüchtlingen aufnehmen. Viele von ihnen werden hier auch ihre neue Heimat
finden. Die Verwaltung unternimmt täglich große Kraftanstrengungen, alle
Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen und ihre Integration in unsere
Gesellschaft zu fördern. Dies ist eine gesellschaftspolitische Daueraufgabe und
für die Verwaltung eine Querschnittsaufgabe.
Der Kölner Rat weiß um die
schwierige Aufgabe der Verwaltung und unterstützt ihre Bemühungen.
Erste Eckpunkte zur Lösung dieser Aufgabe formulierte der Rat bereits in
seiner Sitzung am 11.02.2014. Daran halten wir auch weiter fest.
Die bereits getroffenen Notmaßnahmen
wie die Inanspruchnahme von Turnhallen und einem ehemaligen Baumarkt
unterstreichen, dass sich die Unterbringungssituation dramatisch verschärft
hat.
Vor diesem Hintergrund bitten wir
die zu Beginn des Jahres beschlossenen Handlungsempfehlungen wie folgt zu ergänzen:
1.
Der
Rat fordert eine vollständige Kostenübernahme
der Flüchtlingsunterbringung durch Land und Bund. Der Rat begrüßt die
Anstrengungen der Landesregierung die finanziellen und personellen Ressourcen
für die Flüchtlingsunterbringung deutlich zu erhöhen. Ein umfangreiches
Hilfspaket zur Unterstützung wird mit dem Landeshaushalt verabschiedet werden.
Dies kann aber nur ein erster Schritt sein.
Wir sehen auch den Bund in der Pflicht seinen Beitrag zu leisten. Dafür ist die
in der vergangenen Woche zugesagte finanzielle Unterstützung der
Bundesregierung ein wichtiger Beitrag. Die Kommunen müssen bei der Bewältigung
dieser humanitären Aufgabe aber sehr viel stärker unterstützt werden. Wir fordern
weiter statt Pauschalen eine „spitze Abrechnung“ der finanziellen Aufwendungen
im Rahmen der gesetzlichen Unterbringungsverpflichtung ein.
2.
Der Rat der
Stadt Köln fordert eine
Änderung der Zuweisungsregularien. Das Land muss bei der Verteilung von
Flüchtlingen berücksichtigen, dass Köln eine wachsende Großstadt ist und daher
deutlich knapper werdende Flächen- und Wohnungsressourcen hat, als Städte mit
sinkenden Einwohnerzahlen und Wohnungsleerstand. Die Kölner Stadtverwaltung
stößt aufgrund des äußerst angespannten Wohnungsmarktes und Flächenknappheit
aktuell an ihre Grenzen eine menschenwürdige Unterbringung zu gewährleisten.
3.
Der Rat
bekräftigt seinen Beschluss vom 11.02.2014 und bittet die Landesregierung NRW
dringend, die bestehende Zuweisungspraxis
nach § 15a Flüchtlingsaufnahme-gesetz gerechter zu gestalten. Ziel muss sein,
dass auch alle unerlaubt eingereisten Personen, die sich länger in Köln
aufhalten, auf die Zuweisungsquote des Landes angerechnet werden. Bei unerlaubt
eingereisten Personen, bei denen die Ausreise aus dem Bundesgebiet nicht
nachgewiesen werden kann und die nach Köln zurückkehren, soll eine Umkehr der
Beweislast gelten, mit der Folge, dass auch diese Personen verteilt bzw. auf
die Quote angerechnet werden können. Zudem muss das Verteilungsverfahren
dringend beschleunigt werden.
4.
Die Bezirke mit
ihren Bürgerämtern und - soweit
vorhanden – Sozialraumkoordinatoren sollen die erste Anlaufstelle für die
örtlichen Willkommensinitiativen aus der Bürgerschaft sein. Die Verwaltung
unterstützt das Projekt „Zentrum für
Willkommenskultur“ durch den Flüchtlingsrat
und die Freiwilligenagentur. Deren Aufgabe
ist es, stadtteilbezogene und stadtweite Willkommensinitiativen zu vernetzen
und ihren gegenseitigen Austausch sicherzustellen. Die Verzahnung der
vielfältigen Institutionen, die sich den Flüchtlingen annehmen, wie z.B. der
Kirche und der Wohlfahrtsverbände, und der vielen ehrenamtlichen Hilfsangebote
erfordert einen reibungslosen Ablauf.
Flüchtlingsrat und Freiwilligenagentur arbeiten mit den Bürgerämtern zusammen
und leisten ihnen gegenüber Unterstützung bei der Beratung und Koordination
bürgerschaftlicher Willkommensinitiativen.
Wir bitten den Oberbürgermeister zu prüfen, inwieweit Bürgeramtsleiterinnen und
-leitern die oben beschriebene Aufgabe übertragen werden kann. Für die
Willkommensmaßnahmen ist dort ein Unterstützungsbudget bereit zu stellen, das
der Vernetzung und Integration von Flüchtlingen und Anwohner dienen soll (z.B.
Willkommensfeste, Integration in Sport- und Kulturvereinen). Den Aktiven, die
sich bürgerschaftlich engagieren, sollen Fortbildungsangebote sowie Beratung
und Unterstützung bei Fragen im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit zur
Verfügung gestellt werden.
5.
Das Betreuungsnetz aus Sozialarbeitern, in
Zusammenarbeit mit Hausmeistern und Sicherheitsfirmen ist so zu organisieren,
dass einerseits der Schutz der Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften
garantiert und andererseits ein friedliches Zusammenleben der Menschen in den
Gemeinschaftsunterkünften untereinander und mit den Nachbarn gewährleistet
wird.
Die Hälfte aller Flüchtlinge sind Kinder bzw.
Jugendliche, was einer besonderen vorschulischen
Bildung und präventiven Jugendhilfe bedarf. Hier sind die bestehenden
Strukturen der offenen Kinder- und Jugendarbeit sowie des interkulturellen
Dienstes zu nutzen. Dies beinhaltet insbesondere die Aufnahme in
Kindertagesstätten, Schulen und Jugendeinrichtungen, gezielte Angebote zur
Elternförderung, zur Sprachförderung sowie die Sicherstellung der
Gesundheitsversorgung.
Zusätzliche Sprachmittler für die medizinische Versorgung und ausreichende
Ressourcen für psychotherapeutische und psychologische Maßnahmen sind hierfür
wichtige Bausteine. Dabei ist auf die Problemlagen traumatisierter Flüchtlinge
ein besonderes Augenmerk zu richten.
Es ist sicherzustellen, dass die vorhandenen Unterstützungs- und Hilfsangebote
allen Flüchtlingen bekannt sind. Um auf die unterschiedlichen Bedarfe der
Familien in den jeweiligen Standorten eingehen zu können, sollte der Abruf der
vorgeschlagenen Fördermaßnahmen mit einem Höchstmaß an Flexibilität versehen
werden.
6.
Es ist zu
prüfen, inwieweit Flüchtlingen berufsfördernde
Maßnahmen angeboten werden können. So wird einerseits ihre soziale
Integration erleichtert, anderseits lassen sich Tätigkeiten identifizieren, die
den fachlichen Qualifikationen der Flüchtlinge entsprechen.
7.
Bei der
zukünftigen Stadtplanung ist der
Einwohnerzuwachs durch Flüchtlinge hinsichtlich Unterbringung und Integration
als integraler Bestandteil zu berücksichtigen. Insbesondere beim
Stadtentwicklungskonzept Wohnen und der Schulentwicklungsplanung müssen die
neuen Herausforderungen Berücksichtigung finden.
8.
Bei der Auswahl
weiterer Standorte ist auf eine angemessene sozialräumliche Verteilung innerhalb des Stadtgebietes zu achten.
Sozialstruktur sowie die bisherige Verteilungsdichte von Flüchtlingen in den
einzelnen Stadtteilen müssen erkennbar berücksichtigt werden.
9.
Der Rat
beschloss bereits am 20.07.2004 Leitlinien
zur Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen. Diese sind weiterhin
Zielsetzung des städtischen Handelns. Die aktuellen Entwicklungen erfordern
jedoch kurzfristige Maßnahmen, die sich an den Leitlinien nicht in Gänze messen
lassen können. Zur Vermeidung von akuter Obdachlosigkeit fordern wir, dass
schnellstmöglich alle notwendigen Voraussetzungen für weitere kurzfristige
Flüchtlingsunterkünfte geschaffen werden. In diesem Zusammenhang sind auch Hotelschiffe
sowie Immobilien im Kölner Umland, die der Stadt oder einer ihrer Beteiligungen
gehören, als mögliche Aufnahmekapazität zu prüfen.
10. Die Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten ist unbedingt zu vermeiden.
11.
Es ist zu
klären, inwieweit zur schnellen Realisierung von Flüchtlingseinrichtungen
vereinfachte Baugenehmigungsverfahren
und -auflagen angewendet werden können. Hierbei ist insbesondere zu prüfen,
inwieweit Planungs- und Baubeschlüsse zusammengelegt werden können. Ein
möglicher Konflikt mit Denkmalschutzbelangen sollte angesichts der
gegenwärtigen Ausnahmesituation interessengerecht gelöst werden.
12. Der Rat der Stadt Köln appelliert an die Wohnungsgesellschaften und
Immobilienunternehmen kurzfristig Wohnraum für Flüchtlingsfamilien
bereitzustellen. Kölner Wohnungswirtschaft, der Haus- und Grundbesitzerverein
sowie die Kirchen werden gebeten, ihren Beitrag zu leisten und Wohnungen zur
Verfügung zu stellen, die durch das Auszugsmanagement in enger Abstimmung mit
den Wohnungseigentümern an Flüchtlingsfamilien vermittelt werden können.
Auch der LVR als überregionaler Immobilienträger sollte sich an den Prüfungen
nach leerstehenden, nutzbaren Wohnflächen beteiligen. Darüber hinaus erwarten
wir von den kommunalen Unternehmen, dass sie ebenfalls Verantwortung
übernehmen. Es müssen weitere Partner und verantwortungsvolle Akteure für diese
Aufgabe gewonnen werden. Für dieses gemeinsame Ziel ist auf dem Kölner
Wohnungsbauforum zu werben.
13.
Da
die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen über längere Zeit eine
Aufgabe für die Verwaltung sein wird, soll die Verwaltung dem Rat zu den
nächsten Haushaltsplanberatungen
darstellen, welche Ressourcen mittelfristig dafür zur Verfügung gestellt werden
müssen.
Abstimmungsergebnis:
Mehrheitlich mit den Stimmen der SPD-Fraktion, der CDU-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der FDP-Fraktion, der AfD-Fraktion und der Stimme von Ratsmitglied Henseler (Freie Wähler Köln) sowie bei Stimmenthaltung der Gruppe Piraten und Ratsmitglied Zimmermann (Deine Freunde) zugestimmt.
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Anmerkung:
Diese Angelegenheit wurde vorgezogen und unter dem neuen Punkt 3.1.0 - gemeinsam mit den themengleichen Punkten 3.1.2; 3.1.4; 4.4; 4.5; 4.6; 4.7 und 10.20 – behandelt.