Auftrag
Mit Ratsbeschluss zum
Stadtentwicklungskonzept Wohnen vom 11. Februar 2014 hat die Verwaltung den
Auftrag erhalten, im Bedarfsfall das Instrument soziale Erhaltungssatzung
vermehrt zu nutzen. Sie soll dem Rat Beschlussvorlagen für ausgewählte Gebiete
vorlegen, in denen die Anwendung des Instrumentes gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 Baugesetzbuch (BauGB) geboten ist. Im Rahmen der Haushaltsplanberatungen über
den Haushalt 2015 hat der Finanzausschuss am 15. Juni 2015 einstimmig
beschlossen, 100.000 Euro für die vorbereitenden Arbeiten für die Aufstellung
sozialer Erhaltungssatzungen zur Verfügung zu stellen.
Soziale
Erhaltungssatzungen gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB
Soziale Erhaltungssatzungen dienen der
Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen
städtebaulichen Gründen. Besondere städtebauliche Gründe liegen dann vor, wenn
die Wohnbevölkerung und das Wohnungsangebot sowie die jeweiligen
Infrastrukturen in einem Gebiet in einem intakten Verhältnis zueinander stehen
und eine Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu einem Bruch
dieses intakten Verhältnisses und zu damit einhergehenden negativen
städtebaulichen Folgen führen würde.
In Gebieten mit einer sozialen
Erhaltungssatzung bedürfen Rückbauten, Änderungen oder Nutzungsänderungen der
vorherigen Genehmigung. Die Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungsstandards
bleibt weiterhin zulässig. Die Durchführung von Luxusmodernisierungen können
mit dem Einsatz des Instrumentes verhindert werden, jedoch keine Mietpreissteigerungen.
Soziale Erhaltungssatzungen sind Teil des besonderen Städtebaurechts und können
keinen Beitrag zum individuellen Mieterschutz leisten.
Weitere Steuerungsmöglichkeiten sind das
Vorkaufsrecht der Gemeinde (gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB), mit dem Ziel
der Vermeidung von spekulativen Grundstücksverkäufen, sowie die in
Nordrhein-Westfalen seit 27. März 2015 für zunächst fünf Jahre gültige
Umwandlungsverordnung. Nach dieser ist die Umwandlung von Miet- in
Eigentumswohnungen in Gebieten mit einer sozialen Erhaltungssatzung
genehmigungspflichtig. Nach Erfahrungen anderer Städte ist insbesondere die
konsequente Ausübung des Vorkaufsrechts und der Umwandlungsverordnung
notwendige Voraussetzung zum Erreichen der Ziele einer sozialen Erhaltungssatzung.
Verfahrensvorschlag
für Köln und Anmerkungen aus dem Wohnungsbauforum vom 31. August 2015
Am 31. August 2015 wurde der
Verfahrensvorschlag zum Einsatz sozialer Erhaltungssatzungen in Köln und das
Ergebnis der Voruntersuchung im Kölner Wohnungsbauforum von der Verwaltung
ausführlich vorgestellt und diskutiert (vgl. Anlage 1). Herr Stephan
Reiß-Schmidt, Leiter der Hauptabteilung Stadtentwicklungsplanung der
Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung, berichtete
über die langjährigen Münchner Erfahrungen mit dem Instrument (vgl. Anlage 3).
Zudem referierte Herr Christian Schowe, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung,
Stadtplanung, Verkehrsplanung der Stadt Münster, über den Stand der Diskussion
der Einführung sozialer Erhaltungssatzungen in Münster (vgl. Anlage 4).
In Würdigung der Verfahren der Städte Berlin,
Hamburg und München sowie weiterer Städte, schlägt die Verwaltung das folgende
vierstufige Verfahren vor:
Ziel der
Voruntersuchung (Schritt I) ist die Identifikation von Verdachtsgebieten
mit möglichem Handlungsbedarf. Diese erfolgt anhand einer stadtweiten
statistischen Bewertung auf Basis aussagekräftiger Indikatoren, die das
Aufwertungspotenzial, das Verdrängungspotenzial und den Verdrängungsdruck
abbilden (vgl. Anlage 2), sowie einer sich anschließenden Bewertung aus
planerischer Sicht. Dieser Schritt ist seitens der Verwaltung für das laufende
Jahr abgeschlossen. Als Ergebnis der Voruntersuchung sind die Verdachtsgebiete
Mülheim (Teilbereiche) und das Severinsviertel identifiziert worden (vgl.
Anlage 1, Folien 14 f).
Die beiden ermittelten Gebiete wurden den
Teilnehmern des Wohnungsbauforums vorgestellt und erläutert. Zu dem
Verdachtsgebiet Severinsviertel gab es keine Anmerkungen. Bei dem
Verdachtsgebiet Mülheim wurde dafür plädiert, die Abgrenzung des Gebietes mit
Augenmaß zu wählen, um in den letzten Jahren angestoßene Entwicklungen, z. B.
im Rahmen des Programms Mülheim 2020, weiter zu ermöglichen. Zudem wird auf die
Notwendigkeit des Vorliegens von verlässlichen Daten hingewiesen (s. u.
„Weitere Aspekte der Diskussion im Kölner Wohnungsbauforum“).
Es ist vorgesehen, die Voruntersuchung im
Sinne eines kontinuierlichen Monitorings regelmäßig durchzuführen. Bislang gibt
es deutschlandweit kein allgemein anerkanntes System zur Identifikation von
Verdachtsgebieten.
In den Gebieten mit möglichem Handlungsbedarf
werden im nächsten Schritt Aufstellungsbeschlüsse
(Schritt II) gefasst. Mit dem Aufstellungsbeschluss wird eine vorläufige
Abgrenzung des potentiellen Satzungsgebiets vorgenommen. Dies hat zur
Konsequenz, dass Baugesuche für maximal ein Jahr zurückgestellt werden können.
Bereits mit dem gefassten Aufstellungsbeschluss sind Personalkosten verbunden,
insbesondere für die Zurückstellung von Baugesuchen. Mit dem
Aufstellungsbeschluss wird die Verwaltung des Weiteren beauftragt, eine vertiefte sozialräumliche Untersuchungen
(Schritt III) in den
Verdachtsgebieten durchzuführen. Diese Analyse dient der Überprüfung des
Interventionsbedarfs und ggf. der rechtssicheren Begründung der Satzung.
Zugleich sind die erhobenen Daten Basis der später erforderlichen Evaluation
der Satzung. Bestandteil der Untersuchung ist insbesondere eine
Haushaltsbefragung, in der kleinräumige wohnungswirtschaftliche,
städtebauliche, sozialstrukturelle und demographische Indikatoren ermittelt
werden. Auf dieser Grundlage erfolgt eine Abwägung der städtebaulichen Folgen,
die bei einer Änderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erwarten
sind. Aufgrund der zurzeit vorhandenen Personalkapazitäten der Stadt ist es
erforderlich, die vertiefte sozialräumliche Untersuchung extern zu vergeben.
Die Verwaltung rechnet mit Kosten von ca. 40.000 Euro pro Untersuchungsgebiet.
Erweisen sich die Anwendungsvoraussetzungen
als erfüllt, sind die Verdachtsgebiete - ggf. mit modifizierter Abgrenzung -
per Satzungsbeschluss (Schritt V)
endgültig festzusetzten. Die Satzungen werden unbefristet erlassen. In
regelmäßigen Abständen ist jedoch eine Evaluation (5-jähriger Rhythmus)
erforderlich. Dabei ist zu prüfen, ob die Anwendungsvoraussetzungen für die
jeweilige Satzung weiterhin vorliegen.
Im Rahmen der Diskussion im Wohnungsbauforum
wurden die erforderlichen personellen Ressourcen für den Einsatz des
Instruments genannt. Herr Reiß-Schmidt berichtete, dass in München derzeit 24
Personen für 18 Gebiete für das Instrument soziale Erhaltungssatzung - von
Voruntersuchung bis Vollzug - beschäftigt sind. Nach Überlegungen in der Stadt
Münster wird ein zusätzlicher Personalbedarf von mindestens 1,5 Stellen pro
Gebiet erwartet.
Weitere
Aspekte der Diskussion im Kölner Wohnungsbauforum
Im Rahmen der Diskussion wurden folgende
Aspekte besonders herausgestellt:
§ Das Erfordernis
einer sorgfältigen Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen der Satzungen nach städtebaulichen Kriterien.
§ Die Notwendigkeit
des Vorliegens verlässlicher Daten für die Vorbereitung und den Vollzug des
Instrumentes.
§ Eine klare und
transparente Definition von nicht genehmigungsfähigenModernisierungsmaßnahmen
(Was ist ein zeitgemäßer Ausstattungsstandard? Was ist eine
Luxusmodernisierung?).
§ Klare Regelungen
für den Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Miet- in
Eigentumswohnungen.
§ Klare Regelungen
für die Ausübung des Vorkaufsrechts.
§ Ausreichende
Personal- und Finanzressourcen bei der Verwaltung zur zügigen Vorbereitung und
zum Vollzug der Satzungen (s. oben).
§ Das Erfordernis
der transparenten Darstellung der tatsächlichen Möglichkeiten und Grenzen des
Instrumentes, um realistische Erwartungen aller Wohnungsmarktakteure zu
gewährleisten.
Die Teilnehmer des Wohnungsbauforums begrüßen
die sachliche Herangehensweise der Verwaltung zum möglichen Einsatz des
Instrumentes der sozialen Erhaltungssatzung. Die Verwaltung nimmt die
Anregungen aus der Diskussion im Wohnungsbauforum auf und wird diese bei der
weitere Bearbeitung des Verfahrensvorschlages berücksichtigen.
Zum
weiteren Vorgehen
Auf Grundlage des Verfahrensvorschlages
bereitet die Verwaltung zeitnah eine Expertenanhörung
vor. Dieses Vorgehen wird von den Teilnehmern des Wohnungsbauforums
ausdrücklich begrüßt. Das Ziel besteht darin, den Verfahrensvorschlag auf der
Grundlage der Einschätzungen und Empfehlungen von Experten weiter zu
qualifizieren. Als Teilnehmer werden kommunale Vertreter, Vertreter der
Wohnungspolitik, der Kölner Wohnungswirtschaft und der Wissenschaft einbezogen.
Unter Berücksichtigung der in der Expertenanhörung ausgesprochenen Empfehlungen
wird anschließend der Verfahrensvorschlag zum vermehrten Einsatz sozialer
Erhaltungssatzungen in Köln von der Verwaltung überarbeitet und in die
politische Beratung eingebracht.
Anlagen:
(1) Präsentation Köln
(2) Indikatorenset
(3) Präsentation
München
(4) Präsentation
Münster