Nachtrag: 14.10.2015

Beschluss: Kenntnis genommen

Auftrag

Mit Ratsbeschluss zum Stadtentwicklungskonzept Wohnen vom 11. Februar 2014 hat die Verwaltung den Auftrag erhalten, im Bedarfsfall das Instrument soziale Erhaltungssatzung vermehrt zu nutzen. Sie soll dem Rat Beschlussvorlagen für ausgewählte Gebiete vorlegen, in denen die Anwendung des Instrumentes gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Baugesetzbuch (BauGB) geboten ist. Im Rahmen der Haushaltsplanberatungen über den Haushalt 2015 hat der Finanzausschuss am 15. Juni 2015 einstimmig beschlossen, 100.000 Euro für die vorbereitenden Arbeiten für die Aufstellung sozialer Erhaltungssatzungen zur Verfügung zu stellen.

 

Soziale Erhaltungssatzungen gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB

Soziale Erhaltungssatzungen dienen der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen. Besondere städtebauliche Gründe liegen dann vor, wenn die Wohnbevölkerung und das Wohnungsangebot sowie die jeweiligen Infrastrukturen in einem Gebiet in einem intakten Verhältnis zueinander stehen und eine Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu einem Bruch dieses intakten Verhältnisses und zu damit einhergehenden negativen städtebaulichen Folgen führen würde.

 

In Gebieten mit einer sozialen Erhaltungssatzung bedürfen Rückbauten, Änderungen oder Nutzungsänderungen der vorherigen Genehmigung. Die Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungsstandards bleibt weiterhin zulässig. Die Durchführung von Luxusmodernisierungen können mit dem Einsatz des Instrumentes verhindert werden, jedoch keine Mietpreissteigerungen. Soziale Erhaltungssatzungen sind Teil des besonderen Städtebaurechts und können keinen Beitrag zum individuellen Mieterschutz leisten.

 

Weitere Steuerungsmöglichkeiten sind das Vorkaufsrecht der Gemeinde (gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB), mit dem Ziel der Vermeidung von spekulativen Grundstücksverkäufen, sowie die in Nordrhein-Westfalen seit 27. März 2015 für zunächst fünf Jahre gültige Umwandlungsverordnung. Nach dieser ist die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Gebieten mit einer sozialen Erhaltungssatzung genehmigungspflichtig. Nach Erfahrungen anderer Städte ist insbesondere die konsequente Ausübung des Vorkaufsrechts und der Umwandlungsverordnung notwendige Voraussetzung zum Erreichen der Ziele einer sozialen Erhaltungssatzung.

 

Verfahrensvorschlag für Köln und Anmerkungen aus dem Wohnungsbauforum vom 31. August 2015

Am 31. August 2015 wurde der Verfahrensvorschlag zum Einsatz sozialer Erhaltungssatzungen in Köln und das Ergebnis der Voruntersuchung im Kölner Wohnungsbauforum von der Verwaltung ausführlich vorgestellt und diskutiert (vgl. Anlage 1). Herr Stephan Reiß-Schmidt, Leiter der Hauptabteilung Stadtentwicklungsplanung der Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung, berichtete über die langjährigen Münchner Erfahrungen mit dem Instrument (vgl. Anlage 3). Zudem referierte Herr Christian Schowe, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung, Stadtplanung, Verkehrsplanung der Stadt Münster, über den Stand der Diskussion der Einführung sozialer Erhaltungssatzungen in Münster (vgl. Anlage 4).

 

In Würdigung der Verfahren der Städte Berlin, Hamburg und München sowie weiterer Städte, schlägt die Verwaltung das folgende vierstufige Verfahren vor:

Ziel der Voruntersuchung (Schritt I) ist die Identifikation von Verdachtsgebieten mit möglichem Handlungsbedarf. Diese erfolgt anhand einer stadtweiten statistischen Bewertung auf Basis aussagekräftiger Indikatoren, die das Aufwertungspotenzial, das Verdrängungspotenzial und den Verdrängungsdruck abbilden (vgl. Anlage 2), sowie einer sich anschließenden Bewertung aus planerischer Sicht. Dieser Schritt ist seitens der Verwaltung für das laufende Jahr abgeschlossen. Als Ergebnis der Voruntersuchung sind die Verdachtsgebiete Mülheim (Teilbereiche) und das Severinsviertel identifiziert worden (vgl. Anlage 1, Folien 14 f).

 

Die beiden ermittelten Gebiete wurden den Teilnehmern des Wohnungsbauforums vorgestellt und erläutert. Zu dem Verdachtsgebiet Severinsviertel gab es keine Anmerkungen. Bei dem Verdachtsgebiet Mülheim wurde dafür plädiert, die Abgrenzung des Gebietes mit Augenmaß zu wählen, um in den letzten Jahren angestoßene Entwicklungen, z. B. im Rahmen des Programms Mülheim 2020, weiter zu ermöglichen. Zudem wird auf die Notwendigkeit des Vorliegens von verlässlichen Daten hingewiesen (s. u. „Weitere Aspekte der Diskussion im Kölner Wohnungsbauforum“).

 

Es ist vorgesehen, die Voruntersuchung im Sinne eines kontinuierlichen Monitorings regelmäßig durchzuführen. Bislang gibt es deutschlandweit kein allgemein anerkanntes System zur Identifikation von Verdachtsgebieten.

 

In den Gebieten mit möglichem Handlungsbedarf werden im nächsten Schritt Aufstellungsbeschlüsse (Schritt II) gefasst. Mit dem Aufstellungsbeschluss wird eine vorläufige Abgrenzung des potentiellen Satzungsgebiets vorgenommen. Dies hat zur Konsequenz, dass Baugesuche für maximal ein Jahr zurückgestellt werden können. Bereits mit dem gefassten Aufstellungsbeschluss sind Personalkosten verbunden, insbesondere für die Zurückstellung von Baugesuchen. Mit dem Aufstellungsbeschluss wird die Verwaltung des Weiteren beauftragt, eine vertiefte sozialräumliche Untersuchungen (Schritt III) in den Verdachtsgebieten durchzuführen. Diese Analyse dient der Überprüfung des Interventionsbedarfs und ggf. der rechtssicheren Begründung der Satzung. Zugleich sind die erhobenen Daten Basis der später erforderlichen Evaluation der Satzung. Bestandteil der Untersuchung ist insbesondere eine Haushaltsbefragung, in der kleinräumige wohnungswirtschaftliche, städtebauliche, sozialstrukturelle und demographische Indikatoren ermittelt werden. Auf dieser Grundlage erfolgt eine Abwägung der städtebaulichen Folgen, die bei einer Änderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erwarten sind. Aufgrund der zurzeit vorhandenen Personalkapazitäten der Stadt ist es erforderlich, die vertiefte sozialräumliche Untersuchung extern zu vergeben. Die Verwaltung rechnet mit Kosten von ca. 40.000 Euro pro Untersuchungsgebiet.

 

Erweisen sich die Anwendungsvoraussetzungen als erfüllt, sind die Verdachtsgebiete - ggf. mit modifizierter Abgrenzung - per Satzungsbeschluss (Schritt V) endgültig festzusetzten. Die Satzungen werden unbefristet erlassen. In regelmäßigen Abständen ist jedoch eine Evaluation (5-jähriger Rhythmus) erforderlich. Dabei ist zu prüfen, ob die Anwendungsvoraussetzungen für die jeweilige Satzung weiterhin vorliegen.

 

Im Rahmen der Diskussion im Wohnungsbauforum wurden die erforderlichen personellen Ressourcen für den Einsatz des Instruments genannt. Herr Reiß-Schmidt berichtete, dass in München derzeit 24 Personen für 18 Gebiete für das Instrument soziale Erhaltungssatzung - von Voruntersuchung bis Vollzug - beschäftigt sind. Nach Überlegungen in der Stadt Münster wird ein zusätzlicher Personalbedarf von mindestens 1,5 Stellen pro Gebiet erwartet.

 

Weitere Aspekte der Diskussion im Kölner Wohnungsbauforum

Im Rahmen der Diskussion wurden folgende Aspekte besonders herausgestellt:

§  Das Erfordernis einer sorgfältigen Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen der Satzungen nach städtebaulichen Kriterien.

§  Die Notwendigkeit des Vorliegens verlässlicher Daten für die Vorbereitung und den Vollzug des Instrumentes.

§  Eine klare und transparente Definition von nicht genehmigungsfähigenModernisierungsmaßnahmen (Was ist ein zeitgemäßer Ausstattungsstandard? Was ist eine Luxusmodernisierung?).

§  Klare Regelungen für den Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.

§  Klare Regelungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts.

§  Ausreichende Personal- und Finanzressourcen bei der Verwaltung zur zügigen Vorbereitung und zum Vollzug der Satzungen (s. oben).

§  Das Erfordernis der transparenten Darstellung der tatsächlichen Möglichkeiten und Grenzen des Instrumentes, um realistische Erwartungen aller Wohnungsmarktakteure zu gewährleisten.

 

Die Teilnehmer des Wohnungsbauforums begrüßen die sachliche Herangehensweise der Verwaltung zum möglichen Einsatz des Instrumentes der sozialen Erhaltungssatzung. Die Verwaltung nimmt die Anregungen aus der Diskussion im Wohnungsbauforum auf und wird diese bei der weitere Bearbeitung des Verfahrensvorschlages berücksichtigen.

 

Zum weiteren Vorgehen

Auf Grundlage des Verfahrensvorschlages bereitet die Verwaltung zeitnah eine Expertenanhörung vor. Dieses Vorgehen wird von den Teilnehmern des Wohnungsbauforums ausdrücklich begrüßt. Das Ziel besteht darin, den Verfahrensvorschlag auf der Grundlage der Einschätzungen und Empfehlungen von Experten weiter zu qualifizieren. Als Teilnehmer werden kommunale Vertreter, Vertreter der Wohnungspolitik, der Kölner Wohnungswirtschaft und der Wissenschaft einbezogen. Unter Berücksichtigung der in der Expertenanhörung ausgesprochenen Empfehlungen wird anschließend der Verfahrensvorschlag zum vermehrten Einsatz sozialer Erhaltungssatzungen in Köln von der Verwaltung überarbeitet und in die politische Beratung eingebracht.

 

 

Anlagen:

(1)  Präsentation Köln

(2)  Indikatorenset

(3)  Präsentation München

(4)  Präsentation Münster